Von Superleckerchen und Wattebauschwerfern

„Positiv Trainierende konditionieren nur und werfen dafür mit Leckerchen nur so um sich. Ich möchte mal sehen, was die machen, wenn sich ihr Hund auf ein Kind stürzt. Bestimmt bewerfen sie ihren Hund dann auch mit Leckerchen und hoffen darauf, dass er aufhört“. 

Wer hat solche oder ähnliche Aussagen nicht schon gehört? Und richtig. Wenn man sich Videos von belohnungsbasierten Trainings anschaut, dann könnte man tatsächlich meinen, es wäre das Leckerchen-Paradies.

Leckerchen am laufenden Band
Aber he, das sind Übungsvideos, in denen gezeigt wird, wie Signale und Übungen aufgebaut werden. Und weil dieses Training kleinschrittig ist und auf fehlerfreies Lernen  setzt, werden die Hunde in kurzer Zeit häufig belohnt. Das macht das positive Training so effektiv aber wenig spektakulär.

Und natürlich nutzen wir zum Belohnen gerne Leckerchen. Die meisten Hunde lieben sie. Dazu sind sie kontrollierbar, können aktivieren oder beruhigen und erzeugen erst noch positive Emotionen beim Hund, die uns dann in Alltagssituationen unterstützen.

Wir könnten natürlich auch jedes unerwünschte Verhalten unterbinden und ihn dann selbst herausfinden lassen, was erwünscht ist. Aber weshalb, wenn es doch viel effektiver ist, dem Hund die von uns gewünschten Verhalten beizubringen.

Ausserdem: Ist das Verhalten erst einmal gelernt, wird die Belohnungsrate automatisch kleiner. Dafür kommen viel mehr Umweltbelohnungen hinzu, wie entspannte Schnüffelrunden und ruhige Hundebegegnungen. Und natürlich geniessen unsere Hunde auch einfach das Zusammensein mit uns und die gemeinsamen Unternehmungen.

Wie kommt es denn zu den obigen Aussagen

Am Besten schauen wir uns dazu die Argumentationen und Videos von Hundehaltern und Trainern an, die beschreiben, wie sie das Training wahrnehmen, das nicht ihres ist.

Fake 1 – Positiv arbeitende Hundehalter kennen nur positiv
Tatsächlich gestalten wir unsere kurzen Trainingseinheiten so, dass unsere Hunde möglichst oft belohnt werden. Auch loben und belohnen wir unsere Hunde gerne für zufällig gezeigte und erwünschte Verhalten im Alltag.

Bei unseren Management-Werkzeugen gibt es jedoch auch welche, die durchaus als „negative Strafen bzw. Konsequenzen“ wahrgenommen werden könnten. Und selbst positiv aufgebaute Signale, können Frust auslösen, wenn der Hund eigentlich gerade was anderes machen wollte. Wir achten aber darauf, diesen möglichst gering zu halten und abzufedern.  

Und natürlich findet sich auch die „negative Verstärkung“. Denn sobald wir Unangenehmes wegschicken, wenn der Hund bei uns Hilfe sucht oder diesem gemeinsam und bewusst ausweichen, verstärken wir Verhalten.

Hingegen ist beim positiven Training nichts zu finden, was beim Hund bewusst Verunsicherung, Angst, Schrecken oder Schmerz auslöst und in der operanten Konditionierung „positive Strafe“ genannt wird.

Und so trainieren und erziehen wir unsere Hunde mit so viel Verstärkung wie möglich, so wenig negativer Strafe wie nötig und dem vollständigen Verzicht auf positive Strafe. 

Fake 2 – Positiv arbeitende Hundehalter belohnen ihren Hund auch bei Fehlern
Im Netz kursieren Videos, auf denen das positive Training auf die Schippe genommen wird. Da erhalten Hunde Signale, die sie aber nicht befolgen und werden dafür toll gelobt und belohnt. Oder Hunde, die Sachen vom Tisch klauen, bekommen gleich noch den Rest vom Tisch nachgereicht. So viel zur Meinung über das positive Training bei manchen Hundehaltern.

Die Frage stellt sich hier eigentlich nur, weshalb sollten wir so handeln?

Fake 3 – Positiv arbeitende Hundehalter belohnen und belohnen
Das stimmt grössstenteils. Denn alles was wir trainieren, basiert auf einem belohnungsbasiertem Ansatz und auch alle Signale werden dem Hund so beigebracht. Schliesslich soll er diese mit guten Gefühlen verbinden und nicht mit negativen, wenn er sie im Alltag hört.

Und selbstverständlich nutzen wir dann später viele dieser Signale auch, um unserem Hund von unerwünschtem Verhalten abzuhalten oder ihm auch mal ein „Lass das bleiben“ zu sagen. Denn egal, ob ich ihn zu mir rufe, in Sitz machen lassen oder ein Nein sage, all dieses unterbricht das vorherige Verhalten.

Bei einem Notfall greifen wir selbstverständlich auch mal nach dem Hund oder bremsen ihn mit unserem Körper aus. Aber viel lieber handeln wir so vorausschauend, dass solche Situationen gar nicht erst entstehen und bringen unseren Hunde gleichzeitig bei, sich richtig zu verhalten.

Fake 4 – Positiv Trainierende setzen keine Grenzen und lehnen Abbruchsignale ab
Ich frage mich immer wieder, wer solche Gerüchte in die Welt setzt. Weder Grenzen setzen noch Abbruchsignale hängen mit irgendwelchen Trainingsansätzen zusammen.

Keine Gemeinschaft würde ohne verbindliche Regeln funktionieren. Und so lernen selbstverständlich auch unsere Hunde Grenzen sowie Regeln kennen und akzeptieren. Für die Hunde sind unsere Regeln jedoch oft solche, die in ihrer Welt keine Bedeutung haben und daher erst erlernt werden müssen. Deshalb zeigen wir ihnen auch lieber, was wir von ihnen möchten, statt zu verbieten, was unerwünscht ist. Denn  wir finden, ein belohntes «Komm zu mir und berühre meine Hand» hat deutlich mehr Informationsgehalt als ein «Hör auf den Hund anzubellen».

Fake 5 – Positiv arbeitende Hundehalter bestechen ihre Hunde
Um dies zu verdeutlichen, werden Hundehalter gezeigt, die ihre Hunde vergeblich zu sich rufen und deshalb zum Leckerchen greifen, damit er doch noch kommt. Oder Hunde, die einen Ball nur ausgeben, wenn ihnen ihr Besitzer eine tolle Kaustange zum Tausch hinhält.

Ja, solche Hundehalter gibt es tatsächlich. Aber dies ist genau so wenig positives Training wie jenes das den Hund so auf den Ball fixiert, dass er die Umwelt nicht mehr wahrnimmt. Dann ist das Leckerchen/der Ball lediglich eine Krücke, ohne die nichts mehr geht – und durchaus ganz oft auch von aversiv trainierenden Menschen so benutzt wird.

Fake 6 – Positiv arbeitende Hundehalter riskieren lieber einen Biss als ein ungutes Gefühl bei ihrem Hund
Auch dies Aussagen, die man immer wieder hört. Genauso wie dass viele Hunde im Tierheim landen, weil sie positiv trainiert wurden. Aber keine davon stimmt. Im Gegenteil, neuere Studien zeigen eher das Gegenteil. Wohl gemerkt, wir sprechen hier vom positiven Training und nicht einem Laisser-faire, das mal so und mal so handelt.

Zudem, wenn wir einen Hund haben, der durch sein Verhalten Jemanden gefährden könnte, sichern wir ihn so, dass nichts passieren kann. Dann bleibt er solange an der (langen) Leine und wird evt. noch mit Maulkorb gesichert, bis das Verhalten dank Training nicht mehr auftritt oder wir ihn mit unseren Signalen in diesen Situationen kontrollieren können.

Wie konnte es zu diesen Fake News kommen?

Viele der obigen Aussagen sprechen dafür, dass das positive Training mit dem Laisser-Faire-Stil verwechselt wird.

Und natürlich tragen auch Hundehalter dazu bei, die gerade mal die Basis kennengelernt haben, bevor sie das Training abbrechen und dann nur noch von Leckerchen-Belohnungen erzählen und ihr eigenes Scheitern der Methode anlasten.

Und manchmal soll mit diesen Aussagen auch der eigene Trainingsansatz gerechtfertigt werden. Denn nicht selten kommen diese Argumente von Hundehaltern, die ihrem Hund lieber versuchen, erwünschtes Verhalten beizubringen, indem sie unerwünschtes unter Einsatz von Schreckreizen und Körperblockaden unterbinden.

Positives Training ist aber viel mehr als Leckerchen verteilen 

Positives Training setzt einen guten Traininsgplan voraus
Viele Menschen beginnen hoch motiviert mit dem Training und freuen sich, wie gut das in der Hundeschule Gelernte Zuhause klappt. Aber kaum trifft der Hund auf die erste grössere Ablenkung, geht gar nichts mehr. Da ist verständlicherweise die Frustration gross und die Lust weiter zu üben erlischt nach und nach.

Dabei ist dieses Phänomen ganz einfach erklärt: Die Trainingsanforderungen  wurden viel zu schnell gesteigert, ohne dass der Hund die Möglichkeit hatte, die Grundschule von der 1. bis in die 10. Klasse zu absolvieren oder man ist im Training nie über 3. Klasse hinaus gekommen. Mehr dazu unter Die Sache mit den „3D“  und Dein Hund braucht 1’000 Wiederholungen

Positives Training trainiert Verhalten in so vielen Situationen wie nötig
Eigentlich wissen wir doch alle, dass der Hund schlecht generalisiert. Aber doch fällt es uns Menschen oft schwer, uns die Zeit zu nehmen, mit unseren Hunden die gewünschten Verhalten in möglichst vielen unterschiedlichen Situationen zu trainieren.  Manchmal fehlt die Geduld oder vermeintlich die Zeit, ganz besonders wenn es sich um kritisches Verhalten handelt. Aber Verhalten ändert sich nicht schneller, nur weil wir es wollen. Und ein unerwünschtes Verhalten nur zu unterbinden, führt noch lange nicht zu einem erwünschten Verhalten.

Positives Training verwendet Belohnungen und besticht nicht
Natürlich nutzt auch ein positiv arbeitender Trainer das Leckerchen mal zum Locken. Gerade dort wo es um motorische Fähigkeiten geht, wie das Sitz oder Platz kann dies eine gute Starthilfe sein. Aber er wird so schnell wie möglich auf Belohnen umstellen .

Bedürfnisgerechte Belohnung – statt Trockenleckerchen
Auch wenn positives Training ganz oft nur mit Leckerchen-Belohnungen in Verbindung gebracht wird, stehen uns im Laufe der Zeit viel mehr Belohnungsmöglichkeiten zur Verfügung. Und erst noch solche, die uns die Umgebung oft gratis schenkt.

Hinzu kommen all die vielen kleinen Beschäftigungen unterwegs, die uns und dem Hund Spass machen. Das macht uns das Leben leichter und die Taschen weniger prall gefüllt.

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Auch unsere Hunde sind keine Engel
Den auch die Hunde von positiv arbeitenden Hundehalter haben Themen wie sie bei anders arbeitenden Hundehaltern vorkommen. Auch hier würden Hunde ernsthaft jagen oder zeigen teils massive Aggressionen gegenüber Menschen und/oder Hunden. Aber dank Management und positivem Training sind diese für Aussenstehende meist nicht oder nicht mehr ersichtlich.

Wir wissen, dass unsere Hunde dies nicht gegen uns  tun
Unsere Hunde machen etwas, weil es ihrem aktuellen Bedürfnis entspricht und nicht, weil sie gegen uns agieren! Und mit diesem Wissen handeln und gestalten wir dann auch unser Training.

gedanken

© 2020 Teamschule – Monika Oberli